2015 - Das Wirtshaus im Spessart

Auszüge aus meinem Tagebuch von 2015

Donnerstag, 08.01. 07:54 im Büro

      ... Was ist noch geplant: Treffen in Lohr, gemeinsames Angeln am Angersee, weil Norwegen erst einmmal verschoben wurde, vielleicht ein Sommercamp an der Lahn, da würde M. dann seine neue Flamme nebst Tochter mitbringen. ...
      ... Und wie ging das alte Jahr zu Ende? B. hat sich von I. getrennt, M. von S.

Montag, 08.06. (nach Fronleichnam) 08:40 im Büro

      Die Jungs haben im Mainrother Baggersee geangelt und an der Hütte übernachtet, weil wir für den Angersee dieses Mal keine Erlaubnis bekommen haben. Gefangen wurde nicht wirklich viel, immerhin Aal und Hecht. Pokalsieger ist Dominik mit einer Handvoll Plötzen.

Montag, 10.08. 10:30 im Büro

      Beim Angeln gabs' wieder Ärger mit dem Cocker, deshalb hat B. keine Lust weiter mit uns zu angeln. Als mir W. davon erzählt hat, klang das etwas anders. Aber er hat auch keine Sensibilität dafür, dass andere von seinem Hund genervt werden und auch angst vor ihm haben. M. meint, Conny sei extrem agressiv geworden, habe reihenweise Leute angeknurrt und einen Radfahrer in die Wade gezwickt.
      J. richtet nächstes Jahr das Angeln aus. An welchem See, das besprechen wir im Herbst in Lohr.

Donnerstag, 22.10. 16:03 im Büro - Regen und Niesel, 14 °

      Lohr war schön, Reisebericht muss ich noch schreiben.

Nachbemerkung aus dem Jahr 2024

      'Muss ich noch schreiben', habe ich mir damals vorgenommen. Ist aber nie geschrieben worden. In Erinnerung geblieben sind ein paar nette Erlebnisse mit einem Fass Pils, einem Steinpilz und einem Holz-Pilz, unter dem wir eine vergnügliche Zeit mit dem Fass Pils hatten.
      Den Steinpilz hat uns die Wirtin unserer Unterkunft dann am Abend schmackhaft und fachgerecht zubereitet und serviert. Zu welchen Beschlüssen wir bezüglich unserer Angelei gekommen sind, weiß ich allerdings nicht mehr.

Anfütterung und Köder

      Die in der Fischwaid erfahrene Naturfreund*in erlebt immer wieder, dass, in aller Regel männliche Exemplare ihrer Artgenoss*innen, in wattierter und gummierter und deshalb unvorteilhaft unförmiger Oberbekleidung (ein absolutes no go für die weiblichen Exemplare dieser Spezies) im Morgengrauen an ein von Speisefisch*innen aller Art besetztes Gewässer schleichen, um an besonders dafür ausgewähten Stellen ein Ritual zu vollziehen, das in die Mysterien der 'Kunst' eingeweihte als 'Anfütterung' bezeichnen, welches sich dem neutralen Beobachter aber eher als gymnastische Wurfübung mit walnussgroßen Partikeln fester Konsistenz darstellt.
      Diese Partikel, in der diskreten Sprache der Kundigen als 'Boili' [Lautschriftlich 'b?yli'] bezeichnet, was meiner Erkenntnis nach dem Umstand geschuldet ist, dass ein fehlgeleitetes Geschoss durchaus sichtbare und bleibende Schäden an ungeschützten Körperteilen der getroffenen Betroffenen hinterlassen kann, werden in geheimen Laboratorien weitab von den Habitaten der nicht eingeweihten Bevölkerung nach , seit Generationen mündlich überlieferten Rezepturen, in akribischer Handarbeit aus dem wertvollsten, was die Natur an Eiweißen, Fetten, Stärken und Aromastoffen zu bieten hat, destilliert, getrocknet, gemörsert, gemischt und gebacken, alles mit dem Ziel, dem zu jagenden Wild den Eindruck naürlicher Beute zu vermitteln.
      Die vorgenannten Inhaltsstoffe und die Art ihrer Verarbeitung unterscheiden sich in ihrer Kombination, je nachdem welche Art von 'Zielfisch' nicht gefangen werden soll. Um die geneigten Lesenden nicht zu verwirren, wird an dieser Stelle von der Erläuterung des Begriffs 'Zielfisch' abgesehen, dem dafür nachfolgend ein eigenes Kapitel gewidmet ist. Statt dessen soll der Begriff 'Köder' einer näheren Betrachtung unterzogen werden:
      Der Köder, lateinisch 'esca' ['esko], ist die Benutzerschnittstelle zwisdhen dem Gerät (Angel) und dem Zielfisch (siehe unten). Bereits bei seiner Herstellung (siehe oben) ist äußerste Sorgfalt darauf zu verwenden, dass der Köder in Form, Farbe, Geschmack oder Geruch keinesfalls dem auch nur nahe kommt, was ein Fisch, egal welcher, als Nahrung aufzunehmen bereit sein könnte. Was auch immer wir als Köder verwenden, es sollte nicht in der Natur vorkommen, keinen Duft, ja nicht einmal Gestank verbreiten, kein Licht spiegeln, glitzern, sich bewegen oder Geräusche machen. Nur wenn das alles zusammengenommen Beachtung finden, kann die passionierte Nichtangler*in mit einiger Sicherheit davon ausgehen, dass ihr sehnlichster Wunsch, nämlich keinen Fisch zu fangen, auch in Erfüllung geht.

Der Zielfisch

      'Zielfisch' ist kein terminus technicus der in die höheren Mysterien eingeweihten Mit- und Ohneglieder der hier in Frage stehenden Gilden. Er ist eine Imagination (lateinisch 'imago' = 'Bild') einer kleinen Gruppe verschwowrener Petri-Jünger*innen, die, insbesondere im ausgehenden 20. und am Beginn des 21. Jahrhunderts, ihre Exerzitien (von lateinisch 'exercere' = 'üben') an landschaftlich reizvoll gelegenen Weihern im südöstlichen Teil der damals noch jungen Berliner Republik (von lateinisch 'res publica' = 'öffentliche Sache') abhielten.
      Diese, damals noch jungen Leute, verstanden und verstehen sich als Avantgarde [av?~'ga?d?], d.h. als Vorkämpfer*innen für ein neues umfassendes Verständnis von Natur und Umwelt, mit dem Ziel, die Freude am Waidwerk und den Erhalt der Artenvielfalt insbesondere von mittelständischen Brauereien, Destillen und Winzer*innen zu fördern und zu erhalten. Um dieses Ziel zu erreichen, wurden weder Mühen noch Kosten gescheut und bis heute mag es den einen oder anderen Mittelständler geben, der sich mit Wehmut der Zeit erinnert, als diese Gruppe fortschrittlicher junger Menschen in seiner Gegen ihr Wesen trieb.

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