
Franz Peter Schubert (1797 - 1828)
      Als Franz Schubert mit 31 Jahren starb, hinterließ er keine Frau, keine Geliebte, keine Kinder, dafür über 600 Lieder, 12 teils fragmentarische Sinfonien, weltliche und geistliche Chorwerke, Ouvertüren, Bühnen-, sowie Klavier- und Kammermusiken von so großer Zahl, dass ihre Bedeutung zu seinen Lebzeiten gar nicht erfasst werden konnte.
      Die vorherrschende europäische Geisteshaltung war das Biedermeier. Auf dem Wiener Kongress versuchte der europäische Adel für sich zu retten, was es nach dem Sieg über den ersten Napoleon in der Völkerschlacht bei Leipzig noch zu retten gab. Goethe und Beethoven begegneten sich im Karlsbader Kurpark und gemeinsam dem Kaiserpaar, der eine, Goethe, respektvoll ausweichend, der andere, Beethoven, mürrisch grüßend mitten durch die kaiserliche Entourage, so zumindest erinnert sich Bettine von Arnim.
      Kunst und Kultur waren im Umbruch, Sturm und Drang war gestern, heute war man romantisch. Johann Gottlieb Fichte, die Gebrüder Schlegel, Caroline Schelling und Wilhelm Friedrich Hegel begründeten das, was Kulturgeschichtler heute den „Deutschen Idealismus“ nennen und was 1848 mit der Nationalversammlung in der Frankfurter Paulskirche zu Ende ging.
      Das war die Zeit, in die Franz Peter Schubert als 13. von 20 Kindern am 31. Januar 1797 hineingeboren wurde. Dass es keine leichte Zeit war, erhellt daraus, dass nur 8 seiner Geschwister das Erwachsenen Alter erreichten.
      Mit 5 Jahren begann der Geigenunterricht beim Vater, einem Lehrer und Schulleiter aus Mähren, seine Mutter kam aus Oberschlesien und war bis zu ihrer Hochzeit Köchin in einem Wiener Bürgerhaus. Mit 7 erhielt er Orgelunterricht beim Kapellmeister der heimatlichen Pfarrkirche und Dank seiner schönen Stimme wurde er 1808 in die Wiener Hofkapelle und das kaiserliche Konvikt aufgenommen. Hier bildete sich ein Freundeskreis, der ihn sein kurzes Leben lang begleiten sollte, hier machte er die Bekanntschaft mit den Werken Haydens und Mozarts, erlernte das kompositorische Handwerk von Antonio Salieri, avancierte zum zweiten Geiger im Konvictorchester und begann am 8. April 1810 mit seiner ersten Komposition, einer Klavierfantasie in G-Dur zu viert Händen.
      1811 folgten ein Streichquartett, eine Fantasie in G-Moll und einige Lieder. Für die musikalische Praxis sorgten die Arbeit im Konvictorchester und regelmäßige häusliche Streichquartett-Abende, bei denen der Vater das Cello, die Brüder die Geigen und er die Viola spielten.
      Musik wurde ‚gespielt‘, um zu Leben brauchte es einen Beruf. Mit 17 besuchte Franz, als Schüler nur mäßig erfolgreich, eine Lehrerbildungsanstalt, um seinen Vater in den folgenden Jahren als Schulgehilfe zu unterstützen. Seine Berufung war das nicht! Von Antonio Salieri erhielt er bis 1816 Kompositionsunterricht und das Erlernte fand Eingang in eine erste Oper, „Des Teufels Lustschloss“ und eine Messe in F-Dur, uraufgeführt in der heimatlichen Pfarrkirche im September 1814.
      In den folgenden 2 Jahren komponierte er 2 Sinfonien, 2 Messen, eine weitere Oper und über 20 Lieder, u.a. auf Texte von Goethe und Schiller, einen Verleger fand er nicht.
      Aber einen wachsenden Freundeskreis, der es ihm ermöglichte, seinen Lehrerberuf aufzugeben und sich ganz seiner wahren Berufung zu widmen. Ein befreundeter Dichter, Johann Mayrhofer, schrieb ihm zwei Libretti, ein befreundeter Sänger, Johann Michael Vogl, seines Zeichens Bariton an der Wiener Hofoper, machte Schuberts Lieder in Wiens literarischen Salons bekannt, der Pianist Josef von Gahy gab Konzerte mit seinen Klavierstücken und die Familie von Sonnleithner organisierte musikalische Soireen, die als ‚Schubertiaden‘ gesellschaftliche Bedeutung erlangten.
      Aber keiner der Wiener Musikverleger zeigte sich interessiert. Erst 1818 erschien eine erste Komposition in Druck, als Beilage einer Anthologie „Malerisches Taschenbuch für Freude interessanter Gegenden, Natur- und Kunstmerkwürdigkeiten der Österreichischen Monarchie“.
      Davon leben konnte er nicht, ein Einkommen hatte er nicht und eine Anstellung im Wiener Musikbetrieb, z.B. als Kapellmeister war nicht in Aussicht. Allein sein Freundeskreis setzte ihn in die Lage, seine schier unerschöpflichen musikalischen Ideen zu Papier zu bringen. Aber auf Rosen gebettet war der auch nicht, Geld war knapp und Hüte, Stöcke, Gehröcke und Krawatten wurden redlich geteilt. War Geld im Haus, floss es in Punschbowlen und Bierkrüge. Das "vertrunkene Quartett" war stadt- und polizeibekannt. Außergewöhnlich war das nicht, man war Anfang bis Mitte Zwanzig.
      Und die Öffentlichkeit zeigte sich langsam interessiert. 1820 wurden gleich zwei Opern des jungen Künstlers mit einigem Erfolg aufgeführt, „Die Zwillingsbrüder“ und „Die Zauberharfe“. Als Freund Vogl dann den „Erlenkönig“ in einem öffentlichen Konzert einem breiten Publikum vorstellte, wurde auch der Musikverleger Anton Diabelli auf das Talent aufmerksam.
      Excurs: 500 gr. Silber kosten im Jahr 2024 ca. 550 €. Ein Konventionsthaler (fl.), das gängige Zahlungsmittel zu Schuberts Zeit, hatte einen Feingehalt von 23,385 gr. Silber, nach heutigem Stand also einen Wert von etwa 26 €.
      Für die Veröffentlichung seiner Kompositionen opus 1 – 7 und 10 -12 erhielt Schubert 800 fl., das war etwa das zehnfache seines Jahresgehalts als Schulgehilfe. Insgesamt soll er in der Zeit von 1822 bis zu seinem Tod 1828 mit Veröffentlichungen, Honoraren und Geschenken ein Einkommen von 7.000 fl. erzielt haben, was einem durchschnittlichen Jahreseinkommen von 1.000 fl. entsprechen würde, könnte man eine gewisse Kontinuität der Einnahmen voraussetzen.
      Tatsächlich dürfte aber eher das Gegenteil der Fall gewesen sein.
      Mit seinen Freunden verkehrte er regelmäßig in den Altwiener Gasthäusern und der reichliche Genuss aus heutiger Sicht wohl eher Missbrauch von Alkohol war nicht die Ausnahme. Sein Körper vergalt es ihm mit zunehmender Korpulenz und labiler Gesundheit, was mehrere Spitalaufenthalte zur Folge hatte.
      Aber allein die Anzahl seiner Werke schließt aus, dass er nicht auch diszipliniert arbeiten konnte. Des Nachts behielt er seine Brille auf, um gleich nach dem Erwachen und noch im Schlafrock seine Ideen zu Papier zu bringen. Am Nachmittag machte er gerne einen Spaziergang und der Rest seiner Zeit gehörte dem vergnüglichen Umgang mit den Freunden.
      1823 fand er bei einem Freud einen Gedichtband mit 20 Versen von Wilhelm Müller. „Die schöne Müllerin“ wurde sein erster Liederzyklus, dem in seinen letzten fünf Lebensjahren noch zwei weitere folgten: „Winterreise“ und „Das Fräulein vom See“ nach Walter Scott’s „The Lady of the Sea“.
      Aber auch darüber hinaus und allen körperlichen Gebrechen zum Trotz war Schubert’s Schaffensdrang unermüdlich, bis er schließlich am 19. November 1828 doch einem zweiwöchigen Fieber erlag. Er wollte seine ewige Ruhe neben Beethoven finden, aber es sollte noch 60 Jahre dauern, bis ihm dieser Wunsch erfüllt wurde.
      Beethoven verstarb im Alter von 56 Jahren. Was hätten wir wohl von Schubert zu hören bekommen, wäre ihm noch ein viertel Jahrhundert mehr Lebenszeit vergönnt gewesen.
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